„Es war ein König in Thule“: Warum Gretchen diesen König für eine beispielhafte Liebe wählt und man in Deutschland sich dem zweiten Teil des Faust endlich zuwenden sollte …

Für mich ist das Thule-Lied eines der schönsten Liebeslieder und in Goethes Tragödie singt es Gretchen, sich zum Schlafengehen ausziehend, und erfindet es damit zugleich. Gerade hat sie einen Mann kennengelernt, Faust, der zwar gut und gern an die zwanzig Jahre älter als sie sein mag, aber offensichtlich sagt ihr Herz ja zu ihm. Sonst könnte sie nicht diese Töne und Worte finden:

Es war ein König in Thule
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,
Er leert ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
Sooft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,
Zählt er seine Städt im Reich,
Gönnt alles seinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.

Er saß beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensglut
Und warf den heiligen Becher
Hinunter in die Flut.

Warum wählt sich Margarete in ihrem Lied einen König – und dann nicht gerade den jüngsten? Er ist nicht verheiratet, sondern liebt eine Geliebte, die ihn offensichtlich auch liebt und für ihre Liebe ein Symbol findet, einen goldenen Becher.
Für ihren königlichen Geliebten bedeutet er alles; die Liebe zu seiner verstorbenen Liebe ist dem König wichtiger als alles Gut und Geld.

Gretchen wählt diese Gestalt, diesen Mann, weil er eine Reife besitzt, die der Liebe fähig ist.

Bevor er stirbt, übergibt er den Becher dem Meer, der Ewigkeit.
Für ihn ist die Liebe zu seiner Geliebten nicht zu Ende, sondern sie setzt sich fort in Ewigkeit.

Solch eine Liebe wünscht sich Gretchen.
Was sie nicht weiß, ist, dass in ihrer Liebe zu Faust Mephistopheles mitmischt, der Faust mittels eines Hexengebräus präpariert hat, damit er, wie es bei Goethe heißt, Helena in jedem Weibe sähe.

Doch mit Helena hat es eine besondere Bewandtnis, denn wie wir aus den griechischen Mysterien wissen, war Helena gar nicht in Troja, sondern Paris fiel auf ein Bild, ein Eidolon herein, wie es dort heißt.

Männer glauben meist, sie führen Helena nach Hause, in Wirklichkeit aber existiert diese nur in ihrer Phantasie, ein (Abzieht)Bild, wie es in Soldatenspinden, Männerphantasien und diversen Illustrierten zu finden ist, eine seelenlose Realität, die mit wahrer Schönheit nichts zu tun hat.
Was dann folgt, ist, was man oft als Ehe bezeichnet …

Was es mit der wahren Helena auf sich hat, erzählt Goethes „Faust“ in dessen zweitem Teil und es wird Zeit, dass Menschen des deutschen Kulturbereichs sich ihm widmen, damit Männer nicht mehr ´lieben´ mit ´begehren´ verwechseln und auch Frauen sich um das Ewig-Weibliche kümmern. Schon ein Bemühen darum kann uns der wahren Liebe näher- und nahebringen. Das Lied deutet an, dass die Liebenden dort darum wussten und der erste Teil des „Faust“ deutet ebenfalls an, dass auch Gretchen diese Liebe anstrebte.
Leben konnte sie diese Liebe nicht. Im Gegenteil endet dieser Teil der Tragödie mit vier tödlichen Opfern, ihrer Mutter, ihrem Bruder, ihrem Kind (das nie wirklich ein Kind von Faust war) und auch sie wird gerichtet.

Das muss nicht (mehr) sein.
Auch deshalb ist der zweite Teil des „Faust“ empfehlenswert.

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Ostern kann Leben retten, kann Seelen verjüngen

Eines der anschaulichsten Dokumente und Belege hierfür verdanken wir Goethe und was er im Verlauf seines Lebens als persönliche Wahrheit niederschreiben konnte, denn in den ersten Fassungen des „Faust“ kommt jene Szene nicht vor, als Faust kurz davor ist, sich das Leben zu nehmen, er den braunen Saft schon in die Phiole eingefüllt hat und zu sich sagt: 

Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele,
Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht! 
(Er setzt die Schale an den Mund.)

in der Regieanweisung heißt es dann weiter:

Glockenklang und Chorgesang.

Und der Text fährt fort_

CHOR DER ENGEL: 
Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
Schleichenden, erblichen
Mängel unwanden. 

FAUST: 
Welch tiefes Summen, welch heller Ton
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
Verkündigt ihr dumpfen Glocken schon
Des Osterfestes erste Feierstunde?
Ihr Chöre, singt ihr schon den tröstlichen Gesang,
Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,
Gewißheit einem neuen Bunde?

Wenn eine große Seele wie Goethe nicht in der ersten Fassung, dem Urfaust, und auch nicht in der ersten Veröffentlichung („Faust. Ein Fragment“) diese Zeilen eingebracht hat, dann deutet das auf etwas Wichtiges hin: die oben zitierten Zeilen sind ihm als ein Seelenereignis zuteil geworden. Deshalb können sie Jahre später auf einmal auftauchen. 

Faust ist dabei, Selbstmord zu machen, zu verzweifelt ist er, nachdem ihn der Erdgeist hat abfahren lassen, wo er sich doch wie ein Gott vorkam und nun sich wie ein Wurm vorkommt, der den Staub durchwühlt.

Der Chor der Engel und Fausts Fragen sind nicht nur etwas Hingeschriebenes, ein guter Einfall. Sie sind in der Goetheschen Realität, in seiner Seelenrealität ein Ereignis. – Ostern ist ihm Wirklichkeit. Seelische Wirklichkeit.
Mir stellt sich die Frage, wie tief meine Oster-Realität geht ….
Ostern gibt es nur wirklich in der Tiefe der Seele.

Viele dichterische Figuren tauchen ja auf dem astralen Plan gar nicht auf – oder nur sozusagen als Mumien. Das Personal eines Shakespeare, zum Teil auch das eines Goethe, das ist dort vorhanden. Es ist erlebte und zu erlebende Realität, die sich auch in die Seelen der Leser oder Zuschauer einschreiben kann. 

Goethe hat mit seiner Seele begriffen: Es gibt diese Osterglocken, diese Ostertöne. Christ ist erstanden. Warum also sollte ich sterben?

Ostertöne und Osterglocken retten Leben. 

Sie können das, weil sich die Seele eines Faust, eines Goethe erinnert, was ihm sich als Kind und Jugendlicher in sein Inneres eingeschrieben hat – wie schlimm, dass das heute kaum mehr geschieht.  Es ist eine unserer wichtigsten Aufgaben, Kindern und Jugendlichen von all dem wieder zu erzählen – wenn möglich von Herzen.

Jedenfalls sind die folgenden Goetheschen Zeilen kein Zufall, sie sind geboren aus tiefer Seele:

Was sucht ihr, mächtig und gelind,
Ihr Himmelstöne, mich am Staube?
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Zu jenen Sphären wag ich nicht zu streben,
Woher die holde Nachricht tönt;
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,
Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.
Sonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuß
Auf mich herab in ernster Sabbatstille;
Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle,
Und ein Gebet war brünstiger Genuß;
Ein unbegreiflich holdes Sehnen
Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn,
Und unter tausend heißen Tränen
Fühlt ich mir eine Welt entstehn.
Dies Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,
Der Frühlingsfeier freies Glück;
Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder! 

Tränen sind im Werk Goethes oft ein Zeichen der Verjüngung. 

Ostern kann eine Seele retten.
Ostern kann unsere Seele verjüngen.

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Warum Höflichkeit so wertvoll sein kann. – Bemerkenswerte Gedanken von Albert Schweitzer und Max Frisch

HÖFLICHKEIT ALS DIKTAT DES HERZENS

Ich hatte das Glück, in meiner Jugend einigen Menschen zu begegnen, die sich, bei aller Achtung der geltenden gesellschaftlichen Formen, ihre Unmittelbarkeit gewahrt haben. Als ich sah, was sie den Menschen damit gaben, bekam ich den Mut, selber zu versuchen, so natürlich und herzlich zu sein, wie ich es empfand. Die Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe, haben es nicht zugelassen, dass ich mich jemals wieder ganz unter das Gesetz der Zurückhaltung begab. So gut ich kann, suche ich nun, die Herzenshöflichkeit mit der geltenden Höflichkeit zu vereinen. Ob ich es immer richtig mache, weiß ich nicht. Regeln darüber vermag ich ebenso wenig aufzustellen als dafür, wann man sich in der Musik den überlieferten Gesetzen der Harmonie beugen soll und wann man dem Geiste der Musik, der über allen Gesetzen steht, folgen darf. Soviel aber habe ich erfahren dürfen, dass das Hinwegsetzen über die geltenden Regeln, das wirklich durch das Herz diktiert wird und aus Überlegung kommt, von den andern selten für gedankenlose Aufdringlichkeit genommen wird.
(Albert Schweitzer, „Aus meiner Kindheit und Jugendzeit“)

HÖFLICHKEIT ALS EINE GABE DER WEISEN

Das Höfliche, oft als leere Fratze verachtet, offenbart sich als eine Gabe der Weisen. Ohne das Höfliche nämlich, das nicht im Gegensatz zum Wahrhaftigen steht, sondern eine liebevolle Form für das Wahrhaftige ist, können wir nicht wahrhaftig sein und zugleich in menschlicher Gesellschaft leben, die hinwiederum allein auf der Wahrhaftigkeit bestehen kann – also auf der Höflichkeit.Höflichkeit natürlich nicht als eine Summe von Regeln, die man drillt, sondern als eine innere Haltung, eine Bereitschaft, die sich von Fall zu Fall bewähren muß -Man hat sie nicht ein für allemal.Wesentlich, scheint mir, geht es darum, daß wir uns vorstellen können, wie sich ein Wort oder eine Handlung, die unseren eigenen Umständen entspringt, für den anderen ausnimmt. Man macht, obschon es vielleicht unserer eigenen Laune entspräche, keinen Witz über Leichen, wenn der andere gerade seine Mutter verloren hat, und das setzt voraus, das man an den anderen denkt. Man bringt Blumen: als äußeren und sichtbaren Beweis, daß man an die anderen gedacht hat, und auch alle weiteren Gebärden zeigen genau, worum es geht. Man hilft dem andern, wenn er den Mantel anzieht. Natürlich sind es meistens bloße Faxen; immerhin erinnern sie uns, worin das Höfliche bestünde, das wirkliche, wenn es einmal nicht als Geste vorkommt, sondern als Tat, als lebendiges Gelingen -Zum Beispiel:Man begnügt sich nicht damit, daß man dem andern einfach seine Meinung sagt; man bemüht sich zugleich um ein Maß, damit sie den andern nicht umwirft, sondern ihm hilft; wohl hält man ihm die Wahrheit hin, aber so, daß er hineinschlüpfen kann.  Warum so viel Erkenntnis, die meistens in der Welt ist, meistens unfruchtbar bleibt: vielleicht weil sie sich selber genügt und selten auch noch die Kraft hat, sich auf den andern zu beziehen -Die Kraft: die Liebe.Der Weise, der wirklich Höfliche, ist stets ein Liebender. Er liebt den Menschen, den er erkennen will, damit er ihn rette, und nicht seine Erkenntnis als solche. Man spürt es schon am Ton. Er wendet sich nicht an die Sterne, wenn er spricht, sondern an die Menschen. Man denke an die chinesischen Meister.
(Max Frisch, Tagebuch 1946 – 1949)

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„Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele“ – eines der Turmgedichte Friedrich Hölderlins: “Der Frühling“

Die einen haben gemutmaßt, Hölderlin spiele nur den Geisteskranken (u.a. der französische Politiker und Germanist Pierre Bertaux), andere führten seine diagnostizierte Geisteskrankheit auf die Wirrnisse um seine große Liebe und schlussendlich den Tod seiner Diotima Susette Gontard zurück – Rudolf Steiner hatte auf seine Umnachtung eine ganz spezielle Sicht (https://bit.ly/3TvjHQz).

Hier aber zunächst das Gedicht:

Die Sonne glänzt, es blühen die Gefilde,
Die Tage kommen blütenreich und milde,
Der Abend blüht hinzu, und helle Tage gehen
Vom Himmel abwärts, wo die Tag´ entstehen.

Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten
Wie eine Pracht, wo Feste sich verbreiten,
Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele,
So sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele.

Unterschrieben ist es
„mit Untertänigkeit
Scardanelli“.

Man kennt diese Unterschrift von einigen seiner im später so genannten Hölderlinturm (s. Bild/Wikip.) verfassten Gedichte, die man kaum diesem großen Dichter zuordnen würde, wenn man sich u.a. seiner großen Hymnen wie „Patmos“ (https://bit.ly/3YTMoaV) oder der „Friedensfreier“ (https://bit.ly/3yMbUEu) erinnert, die oft in freien Rhythmen und gewagtem Satzbau gestaltet sind und den Leser immer wieder dazu zwingen, zu verweilen und zu sinnen.

Hier in seinem Turm, der ihm von dem Tischlerobermeister Ernst Zimmer, einem Verehrer seiner Werke, zur Verfügung gestellt worden war und in dem er etwas mehr als 40 Jahre, mal Spinett spielend, mal Tabak rauchend, mal dichtend verbrachte, schreibt der Mann Verse, in denen schon ein Zeilensprung – in „Der Frühling“ finden sich immerhin zwei – halsbrecherisch anmutet und die unterschiedliche Hebigkeit der jambischen Verse – einer ist vier- und mehrere fünf- und sechshebig – gewagt erscheint.

Aber was für ein Frieden strömt aus diesen Zeilen, in deren Rahmen alles lebt, alles personifiziert ist:
Die Sonne glänzt, die Gefilde blühen, die Tage gehen abwärts, das Jahr erscheint … Und ist von den Tagen im Plural die Rede, so blüht „Der Abend“. Von dem Wesen des Abends ist da die Rede mit einer großen Selbstverständlichkeit. Das Jahr scheint nur Feste mit sich zu bringen. Und die Zeichen in der Welt scheinen vor allem Wunder zu sein.

Natürlich mag mancher denken, dass da ein debiler Geist am Werk gewesen sei, der es nicht wirklich mehr blickte.

Mir kommt es so vor, als blicke da jemand, der einst die Tiefen der Wirklichkeit so unnachahmlich erfasste, mit kindlichem Blick auf das menschliche Leben, und dieser Blick tut – mir geht es jedenfalls so – so gut angesichts der Tatsache, dass den Menschen in diesen Zeiten alles zum Problem wird.

Vergessen wir diesen Blick nicht!
Ja, üben wir ihn immer wieder.
Fassen wir neue Ziele!

Denn auch so ist das Leben: einfach schön, sich selbst mit Festen feiernd, blühend, glänzend, wundersam …

Es ist wie im Märchen vom „Mädchen ohne Hände“ (https://bit.ly/3FWU0mH):
Es gibt dieses Haus, in dem wir frei sind, frei, zu fühlen und zu denken wie und was wir wollen.
Und diese Freiheit ist keine Flucht vor dem realen Leben.
Denn die andere Seite des Lebens ist so, wie Hölderlin sie anspricht.

Warum sollten wir sie nicht auch leben ….
Gerade in diesen Zeiten …

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„Hier wohnt jeder frei“. – Die wundersame Botschaft des Brüder-Grimm-Märchens „Das Mädchen ohne Hände“.

Dieses Märchen hat mir sehr deutlich bewusst werden lassen, auf welche Weise Freiheit in meinem Leben zu leben möglich ist. Dass aber gewisse Angstmacher freiheitsraubend aus den unterschiedlichsten Richtungen kommen (wobei ich gar nicht abstreiten will, dass sie es – zum Teil – gut meinen). 
Dem Märchen bin ich gerade auf diesem Hintergrund für seine mir vermittelte Erkenntnis sehr dankbar.

Zunächst ein Blick auf die Handlung und Hinweise zum Verständnis:

Ein Müller hatte im Wald einem Unbekannten, was hinter seiner Mühle sich befände, versprochen; stattdessen sollte er reich werden. Doch befand sich nicht nur, wie er dachte, ein Apfelbaum, sondern auch seine Tochter hinter der Mühle. 

Der Unbekannte war der Teufel und nach drei Jahren würde ihm die Tochter gehören; doch war sie, als die Zeit gekommen, so rein, dass der Teufel keine Macht über sie haben konnte. Nur musste sie, damit ihr Vater nicht dem Teufel verfiele, ihre Hände opfern.

Der Vater versprach seiner Tochter, die ohne Hände vor ihm stand, sie zeitlebens aufs Köstlichste zu halten. Doch wusste das Mädchen, dass es in des Vaters Haus nicht bleiben könne. Es ließ sich die verstümmelten Arme auf den Rücken binden und verließ das Vaterhaus.

Aus den unterschiedlichsten Ursachen heraus geschieht es, doch wir wissen, dass alle Märchenhelden – wie der verlorene Sohn im biblischen Gleichnis – aus dem Vaterhaus aufbrechen. Wir wissen auch, dass wir Menschen – Opfer der aus der Bibel bekannten Schlangenintrige – auf dieser Seelenreise unterwegs sind. 
Ganz unterschiedlich nur geschieht dieses Unterwegs-Sein unter uns Menschen: Manche treiben es sehr bunt wie der verlorene Sohn der Bibel, der sich mit Prostituierten bzw. zahlreichen Liebschaften herumtrieb und dem Gott Mammon verfallen war, dem Geld und dem irdischen Trubel – heute wäre er vielleicht Aktionär, würde seine Zeit mit dem Studieren entsprechender Kurse verbringen, es mit Krypto-Währung versuchen und allen möglichen Gesundheitsmoden frönen aus klammheimlicher Angst vor dem Tod und in der Hoffnung, künstliche Intelligenz könne ihm noch rechtzeitig ein (fast) immerwährendes Leben bescheren. Zugleich aber gibt es auch Zeitgenossen, die sich um eine innere Reinigung bemühen und oben beschriebenen Sogwirkungen ein Bewusstsein für ein geistiges Ziel entgegensetzen mit all den Gefährdungen, die natürlich dennoch mit ihrem Leben verbunden sind.

Wenn in unserem Märchen das Mädchen des Nachts an einen wunderschönen Garten kommt, dann bedeutet das – und wir kennen solch eine Bedeutung aus der Bibel, wenn Nikodemus des Nachts zu Jesus kommt -: dies geschieht im Unbewussten, im Schlaf, wenn die Seele, das Ich und der Astralleib also, sich vom Körper, der mit dem ätherischen Leib zusammen im Bett liegen bleibt, lösen und in einer jenseitigen Welt unterwegs sind und, wenn es sein darf, wie Nikodemus Jesus, dem Christusträger, begegnen.

In diesem Garten gelingt ihm trotz seiner Behinderung, von einem Birnbaum eine Frucht zu essen. Der König, dem der Garten gehört, entdeckt den Verlust am nächsten Morgen und legt sich in der kommenden Nacht auf die Lauer. Tatsächlich kommt das Mädchen wieder, um eine Birne zu essen, und gesteht dem König, dass es ein armer Mensch sei, von allen verlassen, nur von Gott nicht.
Der König nun nimmt das junge Mädchen zur Gemahlin, weil es so schön und fromm war.

Schönheit im Märchen weist in der Regel auf die Schönheit der Seele hin – Märchen kennen eine falsche, weil nur äußerliche Schönheit; der König aber spürt eine Korrespondenz zu der jungen Frau ohne Hände in seiner Seele und dass er gefunden habe, was er sucht. Er mag auch gespürt haben, dass da eine Seele vom Baum des Lebens, dem Birnbaum, den er besaß, gegessen hatte. Zunächst im Unbewussten war dem Mädchen damit auf seiner Seelenreise die Gnade zuteil geworden, in seine Seele den Samen des Wissens aufgenommen haben zu dürfen, dass es in Wahrheit keinen Tod gibt.

Eine entscheidende Prüfung folgt

Es geschieht, dass der König zu Felde ziehen muss. Der Teufel nun bringt es, mit allen Wassern zu möglichen Intrigen gewaschen, zustande, dass das Mädchen, inzwischen Mutter eines Sohnes, das Königshaus in Abwesenheit ihres Mannes, des Königs, verlassen muss. Mit seinem Kind, gebunden auf seinen Rücken, verlässt es das Königshaus und gelangt in einen wilden Wald. Im Märchen – wir kennen ihn u.a. auch aus „Hänsel und Gretel“ – repräsentiert der Wald die Unbillen, Fallgruben und Wirrnisse unseres menschlichen Lebens. 

In ihrer Reinheit betet die junge Königin zu Gott und der Engel des Herrn führt sie zu einem kleinen Haus, daran war ein Schildchen befestigt, auf dem stand:

„Hier wohnt jeder frei.“

Aus dem Haus tritt eine weiße Jungfrau, die sich als Engel Gottes ihr offenbart, von Gott gesandt, sie und ihr Kind zu verpflegen.

Noch hat der Vater des Kindes seine Frau und seinen Sohn nicht gefunden, die er bei seiner Rückkehr so vermisst; es wird noch sieben Jahre dauern und in der Realität unseres Lebens würde die Mutter vielleicht von Hartz IV bzw. dem Bürgergeld leben, vielleicht mit Hilfe einer Tafel sich ernähren oder alleinerziehend und im Spagat zwischen Kindererziehung und beruflicher Tätigkeit leben müssen. Doch wüsste sie sich beschützt von einem Engel.

Wie aber vermag ein Mensch in einer Gesellschaft wie der unseren in einem Haus leben,
in dem  jeder, der darin wohnt, frei leben kann?

Als mir  tiefergehend als bisher bewusst wurde, warum und wie das sein kann, fühlte meine Seele sich richtig erleichtert: in ihrem Haus war uneingeschränkt Freiheit möglich; es hing allein von mir ab. 

Dieses Haus ist natürlich mein bzw. unser Seelenhaus.
Vor vielen Jahren hatte ich einen Traum, in dem ich ein großes Haus betrat und über das Treppenhaus hochstieg, immer wieder in die Etagen hinein und zugleich einen Blick durch das ganze Treppenhaus hatte. Auf einem Stockwerk betrat ich ein Zimmer und war doch sehr erstaunt: in ihm befanden sich zwei Personen, die ich gar nicht kannte … Ich konnte schon in einige Teile dieses Hauses Einblick nehmen und immer wieder fast durch das ganze Treppenhaus sehen, aber es lebten im Haus doch offensichtlich auch noch Teile von mir – im Traum diese zwei Personen -, über deren Vorhandensein ich gar keine Kenntnis hatte.

Das Märchen aber sagte mir: Es gibt die Möglichkeit, in einem Haus zu wohnen, in dem ich frei bin.

Und das in einer Welt voller Krieg, Millionen von Vertriebenen, viraler Gefahren, einem immensen Arm-Reich-Gefälle, der Tatsache beispielsweise, dass sich die Menschheit freiwillig der Börse ausgeliefert hat, die ihr monetäres Schicksal immer wieder anarchisch unberechenbar bestimmt, einem Klima, dass sie zwar weitgehend durch ihr Seelenverhalten bestimmt, aber von diesem Umstand noch keine Ahnung hat, einem Sack voll alter Männer, die mit ihrer verkommenen Männlichkeit noch bestimmen, wo es auf unserer Erde lang zu gehen hat, noch zu vielen Frauen, die diese Männlichkeit gut finden, imitieren und und und …

Wie es der Zufall will, schickte mir eine Bekannte den Link eines im Ruhestand befindlichen Mediziners namens Sucharit Bhakdi zu, von dem ich im Zusammenhang mit Corona schon gehört, aber mich nicht mit ihm weiter beschäftigt hatte; ich wusste nur, dass er dem ganzen Corona-Wirbel, allerdings aus wissenschaftlicher Sicht (nicht alle akzeptieren wohl seine Wissenschaftlichkeit), vergleichbar skeptisch wie ich damals gegenüberstand (ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in einigen Jahren, vielleicht auch Jahrzehnten, herausstellen wird, dass die meisten an Corona Erkrankten nicht wegen des Virus, sondern wegen einer seelisch-physischen Disposition ihres Körpers und ihrer Seele, für die sie selbst verantwortlich waren, erkrankt sind – das mag nicht in allen Fällen so gewesen sein, aber in vielen -, wobei sie deshalb in keiner Weise „schlechte“ Menschen sind ). Es ging in diesem Video des Herrn Bhakdi darum, dass Daten von Menschen „das neue Gold unserer regierenden Elite“ seien. „Wer unsere persönlichen Daten hat, erlangt Macht und Kontrolle über uns. Die jüngsten Entscheidungen zur Einführung des digitalen Impfpasses und die digitale Währung der Zentralbank sind genau aus diesem Grund gefallen“, so war Bhakdi zu vernehmen.

Auf dem Hintergrund des Märchens wurde mir schlagartig bewusst, dass das Anliegen dieses Herrn Bhakdi sicherlich gut gemeint war, aber im Sinne des Märchens die Menschen in eine falsche Richtung wies und einen wirkmächtigen Virus enthielt.

Über mich hat niemand Macht!
Wer meine persönlichen Daten hat, mag Zugriff auf meine gesellschaftliche Existenz haben, aber das bin nicht ICH, das macht nicht mich aus!
Macht über mich können Süchte haben, geistige bzw. astrale Wesenheiten, wenn ich sie nicht erkenne. Die Aussage Sucharit Bhakdis aber verrät – wie so oft auch bei aufgeschlossenen Menschen (ich habe Vergleichbares auch für Daniele Ganser aufgezeigt), dass sie auf das Materielle und Physische und die Oberfläche gesellschaftlicher Geschehnisse fixiert sind, aber die Kraft der Seele und des Geistes nicht einbeziehen.

Wir sollten darum wissen, um nicht auf einen Virus wie: „Wer unsere Daten hat, hat Macht über uns“ hereinzufallen und, weil sie uns nicht bewusst ist, ihrer klammheimlichen Wirkkraft ausgesetzt zu sein.

Das Mädchen im Märchen gibt die Richtung vor, wie wir uns am besten zu verhalten haben, indem wir uns immer wieder reinigen, weinen, wenn es uns nicht gutgeht und verlieben, wenn der Königssohn kommt (oder die Königstochter), aber nicht hereinfallen auf die Angstschürer dieser Zeit, heißen sie Lauterbach oder Bhakdi (wobei ich beide nur in diesem Punkt auf einer Ebene sehe).

Wieler, der (Ex-)RKI-Präsident, Lauterbach, der Krankheitsminister vieler Deutschen, und früher Merkel – heute heißt sie Scholz – haben ununterbrochen Angst geschürt, waren permanente Bedenkenträger und das war ihre Methode, Macht auszuüben. Damit unterstützen sie geistige Kräfte, denen daran gelegen ist, dass Menschen sich mit ihrem möglichen Frei-Sein nicht beschäftigen. Nur aber wer auf dem Weg zur Freiheit ist, kann die Möglichkeiten seines seelisch-geistigen Seins auszuschöpfen lernen.

Im Übrigen halte ich auch Ratschläge Herrn Bhakdis wie unter anderem jenen, doch einfache Mobiltelephone zu benutzen, Smartphones nicht, für keinesfalls hilfreich, weil sie eine Haltung fördern, die auf das Blockieren von Entwicklung aus ist. Diese Einstellung aber ist für die Zukunft auf unserer Erde nicht seelisch zielführend. Gewiss kann es nicht schaden, Smartphones weniger zu benutzen als das bei den meisten geschieht oder beim Umgang mit persönlichen Daten sehr vorsichtig zu sein. Aber seelisch fortschrittliche Kräfte dürfen nicht auf das Blockieren von Entwicklung verlegt sein, sondern sollten von der Zugspitze möglicher Entwicklungen aus bestrebt sein, den Zug auf die richtigen Gleise zu lenken und die Möglichkeit zu haben, Weichen zu stellen. Es bringt nichts, wenn wir an den Menschheitszug hinten ein paar Brems-Wagen anhängen. Es gilt, die Lokomotive zu entern und die Weichen von der Spitze aus richtig zu stellen.
Viel zu oft blockieren spirituell orientierte Menschen gesellschaftliche Entwicklungen, anstatt sie mit viel weniger Aufwand von der Zugspitze aus in die richtige Richtung zu lenken. Mit ständigem Skeptizismus und zum Teil fast krankhafter Vorsicht eliminieren sie die Wirkkräfte ihrer Seele -im Übrigen auch auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit.

Unser Seelenhaus – ein Haus der Freiheit

In diesem Haus der Freiheit, auf welches das Märchen Bezug nimmt,  hat niemand Macht über mich. Die entsprechende Aussage S. Bhakdis schwächt die Menschen! 

Mitten auf der Erde bin ich frei! Das bin ich mit Hilfe eines Engels, vielleicht auch vieler Engel, verstorbener Seelen, die um mich sind, göttlicher Wesen.

Das ist für mich eine klare und sehr wertvolle Erkenntnis, die mir das Märchen vermittelt: Auf dieser Erde gibt es einen Raum für mich, in dem regiert die Freiheit, wenn ich es seelisch-geistig will; es ist das Haus meiner Seele. 

Wer noch nicht dort ist, der reise dahin! – Zu sich!

Das war und ist auch das Geheimnis der großen Seelen früherer und der heutigen Zeit: Inmitten der Gefährdung ihrer gesellschaftlichen Existenz lebten bzw. leben sie in ihrem Haus der Freiheit!

Ich möchte empfehlen, in diesem Sinne dieses wunderbare Märchen in Ruhe ganz und zuende zu lesen: https://bit.ly/3ZTGnME

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Die Bedeutung der Madonna für unsere Zeit. – Ihr Zusammenhang mit der Helena-Gestalt des „Faust“.

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Auf meinem Weg, mich dem erfassbaren Wesen des Weiblichen zu nähern, bin ich über die Gottesmutter Maria gestolpert, die für mich, wie ich in einem Facebook-Beitrag schrieb, ja eigentlich keine Gottesmutter, höchstens eine Jesusmutter war. 
Seit vielen Jahren aus der Kirche ausgetreten, bin ich in protestantisch-pietistischem Umfeld aufgewachsen, so dass ich mir eine ganze Weile schwertat, der Bedeutung der Maria und den Madonnenbildern offen gegenüberzutreten. Den Zugang zu ihnen ganz geöffnet hat mir die Helenagestalt, wie sie Goethe kurz in Faust I und dann ausführlich in Faust II gestaltet hat. Dort sind auch die berühmten drei Mütter von größter Bedeutung, die, wie ich finde, aufschlussreich für das Verständnis des Weiblichen und Mütterlichen sind und zugleich den Weg weisen zu einem tieferen Verständnis der ägyptischen Osiris-Isis-Mythe; sie kann ja unsere Sicht auf Christus deutlich erweitern.

Alles in allem gewiss ein umfassendes Gebiet, das uns aber dem Verständnis der existentiellen Bedeutung des Weiblichen nahebringt. Wie umfassend es ist, zeigt allein die ungeheure Materialfülle zur Madonna, zu Maria. Es gibt u.a. diesen mit viel Liebe gestalteten Textbildband von Herbert Haag, Dorothea Sölle u.a. zu Maria in Kunst, Brauchtum und Religion und wenn ich, was ich in solchen Fällen immer tue, eines meiner Lieblingsbücher, Das geheime Wissen der Frauen von Barbara G. Walker, zu Rate ziehe, finde ich einen zweiseitigen Artikel zu Mari, dem Grundnamen der Großen Göttin, bekannt auch als Meermutter, deren lateinischer Name Maria war, die Meere. Die Chaldäer kannten sie als Marratu, die Juden als Marah, die Perser als Mariham und die Christen schließlich als MariaMiriam, Myrrha – wie auch immer; der eigentliche Artikel zu Maria aber umfasst zehn Seiten, wobei ich eine Passage hier wiedergeben möchte, weil sie meinem Blick auf das Marienverständnis der Kirche ziemlich genau entspicht:

Ein Grund für die Übernahme Marias durch die Kirche lag in der erfolgreichen Amputation ihrer vorchristlichen Sexualität. Marias Jungfräulichkeit wurde unter allen Attributen, die sie von der großen Göttin gehabt hatte, am stärksten betont. Sie wurde „die Jungfrau“, nicht „die Mutter“ genannt. Die Kirchenväter bestanden darauf, dass sie sich nie in ihrem Leben auf Geschlechtsverkehr eingelassen hätte, obwohl in der Bibel eindeutig von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede ist. Der heilige Ambrosius fragte:„Hätte der Herr Jesus etwa eine Frau als seine Mutter ausgesucht, die den himmlischen Raum mit dem Samen eines Mannes beflecken würde, also eine, die unfähig wäre, ihre jungfräuliche Keuschheit zu verteidigen?“

Kein Wunder also, dass die Kirche Marias Leib in den Himmel entsorgte, 1950 als Dogma von Papst Pius XII. verkündet, wobei Mariae Himmelfahrt bereits seit dem 5. Jahrhundert gefeiert wird, eingeführt wohl als Mariä Aufnahme in den Himmel von Bischof Kyrill von Alexandrien. 

Damit will ich nicht sagen, dass es nicht auch in ihrem Rahmen Männer gab und gibt, welche die Bedeutung des Weiblichen für unsere reale Existenz erkannten und vielleicht auch für seine Bedeutung eintraten (man müsste dazu beispielsweise bei Meister Eckehart nachlesen, was er dazu in seinen Predigten gesagt hat). Aber sowohl das Verhalten der katholischen Männer im Rahmen der Inquisition, der Hexenverfolgungen und gegenüber unschuldigen Kindern, ein Verbrechen, das erst in unserer Zeit Aufdeckung fand, aber schon seit vielen Jahrhunderten Bestand hat – man vergisst gern die unendlich vielen Opfer der vergangenen Jahrhunderte! – zeigt, dass ihr Gott ein kranker Gott war, denn nach Aussagen der Bibel war er männlich-weiblich. Dass man das Weibliche ausschloss und Priesterinnen, weibliche Kardinäle und Päpstinnen nicht zuließ, zeigt, dass man das wahre Sein Gottes nicht verstand, womöglich auch nicht respektierte. Das gilt bis heute.

Dadurch wurde diese Kirche krank. Sehr krank. 

Die Gräueltaten ihres Bodenpersonals im Rahmen der Inquisition gegenüber den Katharern und gegenüber Hexen führe ich darauf zurück. 
Wer dem Weiblichen nicht dem ihm zustehenden Raum gibt, kann das Leben nicht achten, geschweige denn lieben. – Und das als Kirche!
Doch selbst für die kranken Männer der Katholischen Kirche mag eine Feigenblatt-Maria seelisch gesehen ein Segen gewesen sein, weil sie, wenn auch unbewusst, wirken konnte.

Die Bedeutung des mittelalterlichen Marienkultes

Etwas erstaunt hatte ich bei White Eagle gelesen, welch überragende Bedeutung er in seinem Buch Die Göttliche Mutter Maria beimisst – später dazu mehr – und war gleichermaßen etwas erstaunt über die auf mich übertrieben wirkenden Worte Rudolf Steiners:

Es gibt schon im ganzen Mittelalter eine großartige Vorbereitung für das Erzeugen des anderen Geschlechts im Manne auf geistige Weise. Der Mann erzeugt durch Konzentration in sich zuerst als Gedanke, was später in ihm als Sein entstehen soll. Daher entstand im ganzen Mittelalter als Vorbereitung dazu der Marienkultus. Der ist nichts anderes als die Konzentration zur Erzeugung des Weiblichen im Männlichen, während beim Weibe der Jesus-Kult dem gleichen Zweck dient. (GA 93, S. 227)

Das Weibliche soll also auf geistige Weise im Mann entstehen? Er hat doch nach Steiner einen weiblichen Ätherleib. Geschieht dann noch mehr?
Seiner Meinung nach offensichtlich: ja!

Was heißt das, dass das Weibliche auf geistige Weise in dem Mann entsteht und dann vorhanden ist? Als Sein vorhanden ist?
Was bedeutet das für die Realität der Männer und der Menschen?
Und ist das mittlerweile geschehen?

Wohl kaum. Sehr unwahrscheinlich, dass die aktuelle Männerwelt mit ihrer weiblichen Seite dieses Sein repräsentiert. Natürlich sind in den vergangenen Zeiten einige vorangegangen und auch heute gibt es gewiss Männer, wenn es auch wenige sein mögen, die sich diesem Sein nähern bzw. es in sich tragen.
Jedenfalls ist mir erst mit der Zeit aufgegangen, welch wichtige Aussage das Steiner-Zitat enthält.

Tatsächlich nähern wir uns erst dem seelischen Umstand und Zustand, dass das Weibliche im Mann und das Männliche in der Frau als Sein existieren.

Als Sein existieren bedeutet – und man möge bei meinen Aussagen immer davon ausgehen, dass ich das so sehe und meine Sicht niemanden aufoktroyieren will -, dass ich ein Bewusstsein des Weiblichen in mir habe und es auf der seelischen Ebene spüre, so wie ich auf der körperlichen Ebene den mittleren Zehen jeden Fußes wahrnehmen könnte, wenn ich es denn kann.
Das erst ermöglicht dem Mann eine ganz andere Weise, in der Welt zu existieren, als es bisher vorhanden ist. 

Der Mensch ist männlich-weiblich erschaffen. Ich habe ja schon verschiedentlich darauf hingewiesen, dass Luthers Übersetzung ungenau, ja falsch ist, wenn er übersetzt, dass Gott den Menschen schuf, „und schuf sie als Mann und Frau“. Noch die Ausgabe 2017 der Lutherbibel übernimmt diese falsche Übersetzung, denn im Urtext steht kein „und“; Gott schuf den Menschen, wie er selbst ist: männlich-weiblich.
Für das Erwerben dieses Seins ist die sogenannte Madonna von großer Bedeutung. Das Wort leitet sich her aus dem lateinischen mea domina – meine Frau, meine Gebieterin – und wurde über italienisch ma donna zu dem Wort, mit dem die Gottesmutter auch bezeichnet wird.

Raffael hat mit seiner Sixtinischen Madonna einen sehr, sehr großen Einfluss darauf genommen, dass dieses Wort eine solche Strahlkraft erhalten hat; man möchte ja empfehlen, dass in jeder Wohnung von irgendeiner Wand diese Madonna Raffaels herabschauen möge. Als Bild herabschauen, denn die Madonna selbst richtet ihren Blick in eine Richtung, über die man sich Gedanken machen mag.

Dass ich zu dieser Sichtweise gelangt bin, verdanke ich Rudolf Steiner, den ich sehr schätze, auch wenn ich kein Anthroposoph bin. Auf meinem Facebook-Account habe ich drei Zitate von ihm wiedergegeben (https://bit.ly/3FG5pY3), die belegen, welche umfassende spirituelle Bedeutung er diesem Gemälde zumisst. Eines beginnt mit dem Satz:

Wenn wir diese Gestalt mit den Mitteln der Geisteswissenschaft ins Auge fassen, können wir erfahren, daß sie mehr leistete für die Verbreitung des Christentums, für das Hineinleben eines interkonfessionellen Christentums in die Herzen und Gemüter der Menschen, als alle theologischen Interpreten, als alle Kardinale und Päpste seiner Zeit.

Goethe hat im Jahre 1815 für Raphaels Meisterwerk folgende Worte gefunden:

Sehen Sie hier mit den größten Meisterzügen der Welt Kind und Gott und Mutter und Jungfrau zugleich in göttlicher Verklärung dargestellt. Das Bild allein ist eine Welt, eine ganze volle Künstlerwelt und müsste seinen Schöpfer, hätte er auch nichts als dies gemalt, allein unsterblich machen.

Zu dieser Auffassung hat sich Goethe erst im Alter hinentwickelt. Ursprünglich schenkte er der Raffaelschen Madonna wenig Beachtung. Das mag sich geändert haben durch das Schreiben seines Faust, denn sein Genius führte ihn dazu, sich mit der Helenagestalt zu befassen bzw. über deren Gestaltung einen Inhalt in Versen niederzuschreiben, den viel mehr Menschen kennen sollten und ohne dessen Kenntnis man zumindest keinen Gymnasiasten aus der Schule entlassen sollte.

Im ersten Teil des Faust führt Mephistopheles im Zuge seines Programms, mittels dessen er die Wette mit dem Doktor gewinnen will, in deren Rahmen es darum geht, dass er Faust dazu bringt, zum Augenblicke zu sagen:„Verweile doch! du bist so schön!“, auch in die Küche einer Hexe, doch muss er schnell erkennen, dass er mit diesem Umfeld bei Faust nicht landen kann. Der hält von dem ganzen magischen Gebrodel, das die dort anwesenden Tiere noch in Abwesenheit der Hexe veranstalten, nichts. Während Mephistopheles sich mit dem Kater und der Kätzin – wie sie im Faust genannt wird – beschäftigt und der Kater ihn gerade nötigt, sich hinzusetzen, ist Faust ganz in den Bann eines Spiegels geraten, dem er sich in mehrfachem Wechsel nähert und dann wieder entfernt, kann er doch kaum glauben, was er sieht:

Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild
Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!
O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,
Und führe mich in ihr Gefild!
Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,
Wenn ich es wage, nah zu gehn,
Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn!-
Das schönste Bild von einem Weibe!
Ist’s möglich, ist das Weib so schön?
Muß ich an diesem hingestreckten Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
So etwas findet sich auf Erden? 

MEPHISTOPHELES: 
Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,
Und selbst am Ende Bravo sagt,
Da muß es was Gescheites werden.
Für diesmal sieh dich immer satt;
Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren,
Und selig, wer das gute Schicksal hat,
Als Bräutigam sie heim zu führen! 

(Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend undmit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen.)

Hier sitz ich wie der König auf dem Throne.                                                                  Den Zepter halt ich hier, es fehlt nur noch die Krone. 

DIE TIERE (welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durcheinander gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit großem Geschrei): 

O sei doch so gut,
Mit Schweiß und mit Blut
Die Krone zu leimen!

(Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stücke, mit welchen sie herumspringen.) 

Nun ist es geschehn!
Wir reden und sehn,
Wir hören und reimen- 
FAUST (gegen den Spiegel): 
Weh mir! ich werde schier verrückt.

Just in diesem Moment kommt die Hexe durch den Schornstein heruntergefahren, entsetzlich schreiend, weil ausgerechnet gerade der Kessel überläuft und eine große Flamme entsteht, die zum Schornstein hinausschlägt.
In der Folge gibt sich die Hexe mit Faust alle Mühe, doch kommt sie bei diesem nicht an, er findet, dass sie im Fieber rede. So veranlasst Mephistopheles noch die Hexe, dem Faust einen Zaubertrank zu kredenzen, der in ihm, wie die Hexe sagt, Cupido, die Begierde, in Wallung bringt und den Gelehrten das Leben auf andere Weise erleben lassen soll, was auch geschieht – zu Lasten Gretchens, dem er anschließend begegnet und total auf sie abfährt.
Bezeichnenderweise aber will er beim Verlassen der Hexenküche noch einmal in den Spiegel schauen

Das Frauenbild war gar zu schön! 

MEPHISTOPHELES: 
Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
Nun bald leibhaftig vor dir sehn.
(Leise.)
Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
Bald Helenen in jedem Weibe.

Mit diesem letzten Satz ist die Wirklichkeit des Verhältnisses von Mann und Frau auf der Erde angesprochen, wie es seit dem sogenannten Sündenfall existiert. Es ist zugleich auch das Drama um den kranken Gralskönig Anfortas angesprochen, das ja genau diese Thematik beinhaltet, denn Anfortas wird bekanntlich mit einem Speer bezeichnenderweise an der Scham verletzt, weil er ein Gralsgesetz überging, demzufolge der Gral dem Gralskönig seine Frau als zukünftiger Gralskönigin zuweist.
Man versteht diesen Mythos nur, wenn man weiß, dass der Gral nichts anderes ist, als ein Herz, das erfüllt von Christusbewusstsein ist.

Nur ein neues Bewusstsein, das als Parzival auftreten wird, kann den siechen Gralskönig von seinen Qualen durch die sogenannte Mitleidsfrage erlösen. Dass aber dies möglich ist und Parzival dies leisten kann, dazu musste er durch viele Leiden gehen, lange und scheinbar vergeblich das Gralsschloss suchen, wobei er diese Suche nur deshalb erfolgreich gestalten konnte, weil sein Pferd, dem er, zuletzt völlig verzweifelt, die Zügel überließ, ihn zur Klause des Trevrizent bringt, der ihm die Karfreitagsbotschaft übermittelt. Durch sie und durch seine Bereitschaft, sie willig aufzunehmen, kann er das Gralsschloss finden und Anfortas erlösen, der nichts anderes darstellt als unser altes Bewusstsein, das der Parzival in uns erlösen möchte.

Die drei B´s

Ein bedeutsames Thema aber, das der zuletzt zitierte Satz aus dem Faust und auch der Gralsmythos ansprechen, ist das Verhältnis von Liebe und Begehren, im Faust cupido genannt.

Viele von uns werden aus eigener Erfahrung wissen, welche Bedeutung dem Verhältnis von Liebe und Begehren zukommt, wenn wir eine neue Beziehung eingehen. Immer wieder sprechen Menschen von der großen Liebe, ohne das Bewusstsein dafür zu haben, wie sehr deren Wahrnehmung durch Begehren überlagert ist. Oft überlagert doch Letzteres unser Gefühl dafür, ob wir wirklich eine Beziehung aus Liebe eingehen, einmal davon ganz abgesehen, dass nicht wenige gar nicht wissen, was Liebe wirklich ist. Gerade jene, die häufig davon sprechen, wissen oft am wenigsten, was es mit ihr auf sich hat. Ich selbst gestehe gern, dass ich in Bezug auf sie ein Suchender bin.

Gibt es Liebe ohne Begierde, ohne Begehren? 

Von Maria und Josef wird gesagt, dass sie, als sie Jesus zeugten, einander liebten ohne Begehren.

Begierde ist keine Sünde – ich mag letzteres Wort absolut nicht, gerade auch nicht in diesem Zusammenhang. Begierde ist ein Charakteristikum unseres Seins, ein Charakteristikum für unser Verhältnis zum anderen Geschlecht, oder – in dem ein oder anderen Fall – zum gleichen.
Und – wie das Begehren – so spielen für mich, Bedingungen zu stellen im Rahmen einer Partnerschaft und unbewusst/bewusst Besitz ergreifen zu wollen eine ganz wichtige Rolle. Vielleicht kann ich im Rahmen der sich anschließenden Beiträge – u.a. zum Tannhäuser-Weg – noch darauf eingehen. Für die Weise, wie Menschen Beziehungen führen, halte ich diese drei B´s für elementar: 

begehren, Bedingungen stellen, besitzen wollen. 

Über ihr Wahrnehmen kann man vieles, was in Beziehungen unbewusst abläuft, tiefgehender verstehen.

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Die Miteinander-Falle: „Wir“ geht nicht ohne „Ich“!

Ich habe gezögert, obige Überschrift zu wählen, weil ein ehrliches Miteinander guttut. Aber es gibt eben auch hier eine Flucht ins Miteinander, ins Wir, und es gibt Voraussetzungen dafür, dass ein Miteinander gelingen kann.

Die zentrale Voraussetzung für mich ist, dass für ein Miteinander, das konstruktiv für uns und die Menschheit sein soll, Individuen zusammenfinden, die auf dem Weg, ein Individuum zu sein, weit fortgeschritten sind. 

Individuum zu sein, das heißt, seine Individualität entdeckt zu haben, hat natürlich etwas mit Egoismus zu tun. Man muss Egoist sein können, um ein Individuum zu sein.

Das ist ja eine große Traurigkeit, dass man Menschen beschimpft, wenn sie Egoisten sind. Man müsste Ihnen eigentlich gratulieren, denn sie sind dabei, s-ich zu finden.Es gibt keinen Weg der Selbstfindung ohne die Erfahrung, Egoist zu sein bzw. Egoist sein zu können.

Natürlich gibt es auf diesem Feld eine gewisse Perfektion und um auf dem Weg der Selbstfindung weiterzukommen, sollte man, wenn man ein (nahezu) perfekter Egoist sein kann, nicht unnötig lange in diesem seelischen Zustand verharren. Ein nächster Schritt, um über diesen Zustand hinauszukommen, ist, zu spüren, ja zu wissen, wann man egoistisch ist.

Egoist sein zu können, ist deshalb so wichtig, weil man dieses Ich kennen, mit ihm umgehen können muss, um es zu erweitern zu jenem Ich, das sich auch I-CH schreiben lässt.

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I-CH ist ja – und darin ist die deutsche Sprache einmalig auf der Welt – die erste Person des Personalpronomens und zugleich sind es die Initialen von J-esus Ch-ristus

[Auf der Tafel am oberen Ende des Kreuzes wurde der Grund für die Kreuzigung angegeben. Da stand bei Jesus, veranlasst von Pontius Pilatus „INRI“ = Jesus Nazarenus Rex Judaeorum (Jesus aus Nazareth, König der Juden)].

Ich kann also Ego sein und zugleich I-CH (bzw. auf dem Weg zu Letzterem sein). Um das erkennen, um ein Gefühl dafür bekommen zu können, was Ich und I-CH ausmachen, ist die Erfahrung des Egoismus notwendig. Es ist keineswegs negativ, wenn jemand egoistisch ist, die Frage ist eher, ob er bereit ist, sich weiterzuentwickeln. Und da ist es schon auch wichtig, nicht unnötig lange auf der Weltbühne den Egoisten zu geben. Dass viele das zu lange tun: den Eindruck kann man leider schon gewinnen.

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I-CH hat im Übrigen für mich nichts zu tun mit dem, was man gemeinhin unter Religion versteht. Richtig verstandenes Christentum ist für mich ein Bewusstseinszustand, eine Bewusstseinsstufe, die sich weiter zur Vaterstufe entwickeln will und Fakt ist, dass eine der größten Religionen das Weibliche nicht als göttlich anerkennt, sonst müsste sie nicht für alle Jünger Petri das Weibliche vom Leib halten wollen. Damit halbiert sie ja systematisch auch Gott.

Und genauso bedauerlich ist, dass viele das Wort „Vater“ geschlechtsbezogen sehen und womöglich nicht wenige Frauen aufschreien.

Wie weiblich ist denn das Ewig-Weibliche?

In unserem, also ich meine, in dem üblichen Verständnis des Weiblichen ist es überhaupt nicht weiblich – aber das ist ein anderes Thema.

Man muss verstehen, dass das Männliche und Weibliche in dem, was es ursprünglich ist, wenig bis nichts zu tun hat mit dem, was wir unter Geschlecht verstehen und dass unser Geschlechterverständnis nur ein Weg ist, zu verstehen, was eigentlich sich hinter dem wahrhaft Weiblichen und Männlichen verbirgt.

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Wie bemerke ich, ob ich ein Individuum bin? Ein Merkmal ist, froh darüber zu sein, dass andere anders sind. Wer nicht versteht, um was es geht, versucht, auf allen möglichen Feldern die Menschen gleichzuschalten, dafür Sorge zu tragen, dass sie so sind, wie man selbst, gleich denken, Gleiches fühlen, möglichst auch Gleiches wollen (man schaue sich nur die vergangenen Impf- und Maskendiskussionen an, wobei ja nicht schlimm war, dass sie geführt wurden (im Gegenteil), sondern wie!).

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Stellen wir uns vor, viele Menschen plädierten für ein Miteinander, ohne individuell zu sein. Das gäbe ein großes Menschengemansche, aber kein wahres Miteinander. Nur wer seine Individualität entwickelt hat und zu schätzen weiß, kann die des Anderen schätzen, kann den Anderen schätzen.

Wir wissen, dass die Meere aus unendlich vielen Tropfen bestehen. „Weißt Du wieviel Sternlein stehen“ – so beginnt ein Volkslied und macht darauf aufmerksam, dass Gott sie alle kennt. Allein unsere Milchstraße hat – Schätzungen zufolge – 100 bis 400 Milliarden Sterne und unsere Nachbargalaxie, der Andromeda-Nebel, hat erheblich mehr … und es gibt Millionen von Galaxien …

So ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass es ein Bewusstsein, das wir Gott nennen können, gibt, das um alle Wassertropfen dieser Erde weiß, auch wenn sie gerade in anderen Aggregatzuständen unterwegs sind.

Wie keine Schneeflocke gleich ist, so ist auch kein Wassertropfen einem anderen gleich. Und das gilt auch für Menschen.

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WARUM VORSICHT?

Auch deshalb, weil wir entdecken könnten, wenn wir genau hinblicken, dass viele, die die Glocken eines großen Miteinander läuten, es deshalb tun, weil sie vor sich und anderen kaschieren wollen, dass sie um sich selbst nicht wissen, nicht wissen wollen. Dass sie vielleicht zu bequem sind oder noch nicht dazu in der Lage, sich zu einem Individuum zu entwickeln, zu einem eigenständigen Bewusstsein.

Natürlich gibt es geistige Kräfte, die extrem interessiert daran sind, dass Menschen miteinander sind, ohne Individuen zu sein.

Sie haben Interesse daran, dass die Meere eine undefinierbare Brühe sind.

Ich persönlich finde es deshalb sehr wichtig, dass Menschen, die auf einer psychologischen oder spirituellen Ebene das WIR proklamieren, die Frage stellen:

Bist Du, bin ich ein Individuum? Weißt Du, weiß ich, was es heißt, ein Individuum zu sein? Kannst Du allen Deinen Mitmenschen ihre Individualität zugestehen?

Es kann brandgefährlich sein, ein Miteinander, ein Wir auf den Schild zu heben, weil es doch spirituell so wertvoll und gerade an der Zeit zu sein scheint.

Wahre Individualität ist nicht individuell auf Kosten anderer und hat an Gleichschaltung kein Interesse oder glaubt, man sei nur mächtig, wenn andere weniger mächtig sind und man ihnen einen Teil ihrer Macht rauben sollte.

Ich glaube allerdings, dass sich ein Miteinander auch schon auf unserer Erde erleben lässt in Gruppenerfahrungen oder auch in partnerschaftlicher Beziehung.

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Wir wissen, dass Zustände immer wieder auch umschlagen und wir das Gegenteil erleben. Aber wir wissen eben auch, dass solche Erfahrungen notwendig sind, um einschätzen zu können, was sich hinter einem wahren Miteinander an Wunderbarem verbirgt.

Dennoch sollten wir, wie Paulus rät, alles prüfen, damit die Wahrheit, das wahre Miteinander erreichbar bleibt.

PS Nachgereicht

Ich finde Birgit Vogels Lied zu dieser Thematik echt gut, auch, weil ich gelebte, aus dem Leben gegriffene Spiritualität einfach gut finde, kein allgemeines esoterisches Gefasel, sondern persönlich und damit lebendig. Sie beleuchtet auf ihre individuelle Weise das Wechselspiel von „Ich“ und „Wir“:

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2023: ein sorgenfreies Jahr? Wenn ja, warum? – Von Goethe lernen!

In der Gestalt des Faust hat Goethe uns einen Menschen vor Augen geführt, der sich vor diesen unseren Augen, wenn wir denn sehen wollen, entwickelt, Bewusstseinsschritt für Bewusstseinsschritt.

Im ersten Teil dieses großen Werkes lässt sich Faust auf Mephistopheles ein, nachdem er schon kurz davor war, am Leben zu verzweifeln und nur mit Hilfe eines österlichen Wunders am Leben bleibt. Allerdings bleiben die, mit denen er zu tun hatte, weitgehend nicht am Leben, am allerwenigsten Gretchen, das er schwängert, um die junge Dame dann schmählich sitzen zu lassen, verwechselt er doch, wie das Männer gerne tun, Begierde mit Liebe. Deshalb müssen nicht nur Margarete sterben, sondern deren Kind, Mutter und Bruder. Mephistopheles dagegen reibt sich vergnügt die Hände. Doch am Ende von Teil I erlebt der „Der Herr der Ratten und der Mäuse, / Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse“ – wie er sich selbst nennt – sein Waterloo: Er sieht Margarete, die ihr Kind aus purer Verzweiflung nicht austragen konnte und sich so in Schuld am Wertvollsten, was wir Menschen haben, dem Leben, verstrickt, gerichtet und verkündet im Kerker Gretchens lauthals: „Sie ist gerichtet!“
Da ertönt jene gewaltige Stimme aus dem – wie Atheisten (die es in Wirklichkeit gar nicht gibt) es gerne nennen – Off, und korrigiert ihn entscheidend mit den Worten: „(Sie) ist gerettet!“.

Im Deutschen, dieser wunderbar differenzierten Sprache, kennen wir ein Vorgangspassiv (im Präsens: sie wird gerettet) und ein Zustandspassiv. Es macht einen himmelweiten Unterschied zu ersterem, denn hier ist etwas in einen Zustand übergegangen, das wertvoller nicht sein kann, weil Gott nicht die Sünde kennt, wie sie uns über Jahrhunderte von der Kirche in Herz und Hirn gebrannt wurde, da es für jenen trotz allem Geschehenen so ist – wie es unter den letzten Worten des Faust I heißt: Sie ist gerettet.

Auch Faust ist gerettet, man mag es kaum glauben; der Beginn des zweiten Teils macht es deutlich:
Trotz großer Schuld – immerhin „zieren“ die vier erwähnten Toten seinen Weg – ist er durch heilsamen Schlaf in der Lage, weitere entscheidende Schritte auf jenes große Ziel hinzugehen, das das Männliche in uns nur zum Ziel haben kann: das Ur-Weibliche – Goethe nennt es das „Ewig-Weibliche“.
Ganz will es ihm in diesem Werk noch nicht gelingen. Aber Faust hat zu Helena, in der Goethe das Ewig-Weibliche sich personifizieren lässt – zum Abschluss nennt er, um was es ihm geht, in einer Wendung zum Christlichen hin „Mater Gloriosa“ – entscheidenden Kontakt aufgenommen und mit ihr sogar ein gemeinsames Kind gezeugt, Euphorion.
Doch ist es ein Trugschluss, dem sich zumeist allerdings nur diverse scheinheilige Esoteriker hingeben, zu glauben, man könne auf Erden leben, ohne noch immer einen Erdenrest in sich zu haben:
Helena und Euphorion entschwinden wieder; Faust bleibt ein Mensch, wenn auch ein seelisch-geistig sehr weit entwickelter, hat er doch den Schritt zu den drei Müttern zu gehen vermocht, ein Schritt, den zu gehen in den Mythen nur wenigen vergönnt war, u.a. Odysseus, Orpheus, Herakles – und, wie manche zur Kenntnis zu nehmen bereit sind: Christus.
Auf der Erde jedoch kann man ein Ewig-Weibliches nicht auf Dauer an sich binden. Immer wieder – bei entsprechendem Streben – aber in (zunehmend intensiveren) Kontakt treten.

Dass Faust noch zumindest ein letzter Schritt fehlt, machen nicht nur das Entschwinden Helenas und Euphorions im dritten Akt des zweiten Teiles deutlich, sondern auch in Akt 5, schon ganz gegen Ende des Werkes, das Auftauchen der vier grauen Weiber – dem Mangel, der Not, der Schuld und der Sorge. Zumindest eine der Vieren verbleibt in Fausts Haus: es ist die Sorge. Mit ihr muss er sich auf ein Wortgefecht einlassen, und es wird deutlich, für wie schwierig Goethe die Überwindung der Sorge hält („Wen ich einmal mir besitze, / Dem ist alle Welt nichts nütze“).

Das etymologische Wörterbuch des Deutschen kennt zwei Bedeutungsvarianten von „Sorge (wer mag, kann sich hier informieren: https://bit.ly/3G75eUS) und Faust scheitert noch an jener, die dort mit „Kummer“ bzw. „Gram“ bezeichnet wird. Faust grämt sich nämlich furchtbar darüber, dass an jener Stelle, wo er eine wunderbare Aussicht über sein Meisterstück, sein Lebenswerk haben könnte, auf seinem Grund unter den Linden droben also, die Hütte der beiden Alten, von Philemon und Baucis steht.
Goethe hat ja die Hütte zu einem der zauberhaftesten Motive der Weltliteratur gemacht (Faust in Teil I, in ihrem Zimmer hingerissen an Gretchen denkend: „Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich.“) Indem er nun Mephistopheles befiehlt – jener hat ja beste Erfahrungen im Ausführen von solchen Befehlen Fausts, hat er doch auf dessen Wunsch hin der Mutter Gretchens, um ein Tête-à-Tête mit der Geliebten zu ermöglichen, einen Schlaftrunk verpasst, aus dem allerdings jene nicht mehr aufwachen sollte – indem Faust also Mephistopheles befiehlt, die beiden Alten zur Seite zu schaffen, erledigt jener das mit Hilfe dreier Schergen in gewohnt radikal zuverlässiger Weise, indem deren Zuhause abbrennt, was die beiden Alten vor Schreck sterben lässt. Zwar sucht Faust, seinen Kopf aus der Schlinge der Verantwortung zu ziehen („Tausch wollt´ ich, wollte keinen Raub“), doch kennen wir ja diesen Euphemismus von Worten zur Genüge aus unserer politischen Landschaft: Was Faust „Raub“ nennt, war im Grunde eine durchaus willkommene Tötung, weil es ihm nun möglich ist, „Zu überschauen mit einem Blick / Des Menschenwerkes Meisterstück“, was also er geleistet hat. Doch Lynkeus, der Türmer auf Faustens Schlosswarte, bringt es auf den Punkt, wenn er davon spricht, dass „die innere Hütte loder(t)“. Mit dem Abfackeln der Hütte der beiden Alten lodert vor allem die innere Hütte in Fausts Seele, dort also, wo eine geistige Heimat ihren Ort hätte finden können, ja sollen,

Für mich ist, bevor ich zum Schluss dieses Beitrages und seinem besonderen Sinn für das Jahr 2023 komme, ein Hinweis wichtig, damit nicht jene, die mit dem Christentum aufgrund seiner Kriminalgeschichte auf Kriegsfuß stehen (vgl. Karlheinz Deschners „Kriminalgeschichte des Christentums“), nämlich, dass das wahre Christsein und Christentum für mich eine Bewusstseinsstufe, keine Religion im üblichen Sinne ist, eine Bewusstseinsstufe, die sich gerade im Deutschen in der Tatsache niederschlägt, dass die erste Person des Personalpronomens in dieser unserer Sprache ausgerechnet jene Initialen enthält, die für mich eine wegweisende Bedeutung beinhalten: Iesus Christus: I-CH.

Goethe beschließt seinen „Faust“ ja im Grunde mit einem Verweis, den zwei Bibelzitate spiegeln. Das eine findet sich in einem Brief des Petrus und lautet: „Alle eure Sorgen werfet auf ihn, denn er sorgt für euch.“
Und Paulus schreibt in seinem Brief an die Philipper: „Macht euch keine Sorgen! Ihr dürft in jeder Lage zu Gott beten. Sagt ihm, was euch fehlt, und dankt ihm! / Dann wird Gottes Friede, der all unser Verstehen übersteigt, eure Herzen und Gedanken bewahren, weil ihr mit Jesus Christus verbunden seid.“

Sind wir in der Lage, alle Sorgen aufzugeben, und ist das überhaupt sinnvoll?
Wenn ein geliebter Mensch längst da sein sollte und einfach nicht kommt oder wenn der eigene Zug Verspätung hat, wo doch ohnehin für den Anschlusszug kaum Zeit zum Umsteigen bleibt – ist das nicht übermenschlich, sich keine Sorgen zu machen?

Goethe deutet an, dass es möglich sein könnte im Rahmen seiner Religiosität, die sich u.a. auch in seinen Geheimnissen und seinem Märchen von der grünen Schlange zeigt.
Aber es kann nicht sinnvoll sein, sich unnötig unter Druck zu setzen und so zu tun, als gäbe es Angst und Sorge einfach nicht. Man muss nicht mit Gewalt einen Erdenrest negieren wollen.

Wichtiger ist, was Goethe für mich mit dem „Faust“ vermitteln will: Es gibt einen Weg zum Ewig-Weiblichen, zu den Urgründen unseres Seins, den wir nur verstehen, wenn wir erkennen, dass alles Vergängliche ein Gleichnis ist und die Aufgabe von uns Menschen, in dem, was wir auf der Erde erfahren, Verweise auf ein Ewiges zu erkennen, um uns jenem wieder anzunähern, um sozusagen ins Reich der grünen Schlange zu gelangen.
In den Mythen steht das Weibliche für die Seele des Menschen, das Männliche für den göttlichen Geist. Er ist es, der die Seele befruchten will. Wir finden dies in der Tatsache, dass Osiris mit Isis Horus zeugt, wir finden das angesprochen in der so oft verkannten Jungfrauengeburt der Maria, die nicht anders ist als eine sehr reine Seele; wir finden es angesprochen in der Zeugung des Euphorion so wie Heinrich von Ofterdingen das Ewig-Weibliche in jenem Gesicht findet, das ihm die Blaue Blume zeigt.

Für uns ist dieses Ewig-Weibliche so wichtig, weil wir in einer Zeit leben, in der – so stellt es sich jedenfalls für mich dar – es gilt, das kaputte Männliche, das derzeit die Welt regiert (Namen zu nennen, die sich da besonders anbieten, ist wohl kaum notwendig) abzulösen und das Männliche zu heilen durch eine bewusste Weiblichkeit als einer bestimmten Qualität der Seele der Menschen.
Diese Weiblichkeit ist kosmischer Natur; sie kann hören und muss nicht ununterbrochen geredet oder geschrieben haben; dass sich Medien in so starkem Maße etabliert haben wie Twitter, Facebook, Whats App, Telegram und andere und so viele Worte produziert werden, die so oft geistiger Müll sind und den Wert des wahren Wortes, des Logos, hintertreiben, ist kein Zufall. Weiblichkeit gibt Wärme, die unsere Seelen dringend brauchen, wie es auf wunderbare Weise die Pietà Michelangelos und die Sixtinische Madonna Raffaels zeigen …

Ich glaube, dass es möglich ist, diesen Weg zum Ewig-Weiblichen zu beschreiten und dass das bereits in der letzten Zeit geschieht, denn die Menschheit ist mehr denn je an einem Punkt angelangt, an dem viele erkennen, dass sich Entscheidendes ändern muss und ich vermute, dass vor allem die jüngeren Generationen und auch die Frauen dieser Erde in Afghanistan, im Iran und anderswo nicht mehr lange hinnehmen werden, was die alten Männer dieser Erde treiben, auch die jungen Männer, wenn sie so alt sind wie die älteren Brüder der Grimm-Märchen.
Übersehen sollte man nicht, dass für die männliche Seite einer Frau Vergleichbares gilt; auch deren männliche Seite kann sehr krank sein.

Es liegt an uns, die seelisch-geistigen Bewegungen zum Ewig-Weiblichen hin, die sich auszeichnen durch eine Wertschätzung allen Lebens, zu unterstützen und bewusst selbst zu gehen, und ich vermute, wenn Goethe heute wieder da wäre, würde er nach wie vor zu dem, was er im Faust geschrieben hat stehen, er würde vor allem aber eines verändern, er würde sagen: Lasst Euch nicht nur ziehen vom Ewig-Weiblichen! Geht vielmehr bewussten Schrittes auf es zu!

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Kommt alle, ich bring euch nach Haus“ – Die Weihnachtsmadonna von Stalingrad.

Am Heiligen Abend 1942 bereitete der Oberarzt Dr. med. lic. theol. Kurt Reuber seinen Kameraden im Kessel von Stalingrad eine eigenartige und eindrucksvolle, unvergessliche Weihnachtsfreude, die ihnen zugleich zu einer starken Hilfe wurde. Als die Männer den notdürftig gegen Kälte und Geschosse schützenden Bunker zur einsamen Weihnachtsfeier unter den Schatten des Todes betraten, standen sie »wie gebannt, andächtig und ergriffen schweigend vor dem Bild« einer Mutter, die im weiten Mantel ihr Kind birgt. Dieses unter vielen Mühen mit Kohle auf der Rückseite einer großen russischen Landkarte gezeichnete Bild wurde bald die »Weihnachtsmadonna von Stalingrad« genannt und ist unter diesem Namen bereits weithin bekannt geworden. Das Bild ist aus dem Kessel herausgekommen, der, der es schuf, ist mit den vielen in Stalingrad geblieben, verschollen. Das Bild der Festungsmadonna hängt im Pfarrhaus zu Wichtmannshausen bei Eschwege in Hessen.

„Dort, im Hause des Freundes, habe ich ergriffen vor diesem Bilde, gestanden“, so schreibt Arno Pötzsch. „Vor der Weihnachtsmadonna und vor dem Selbstbildnis Kurt Reubers ist das hier folgende Muttergottesgedicht entstanden. Ich lege diese Verse in selbstverständlicher Bescheidenheit in die Hände der Freunde und habe nur den einen Wunsch, daß das Gedächtnis der in Stalingrad Gefallenen und Verschollenen unter uns lebendig erhalten bleibe.“ 

Niemand wird gerne, gerade an Weihnachten, an Stalingrad erinnert. Aber es gibt noch viele Menschen auf der Erde, die auch in der Heiligen Nacht in Stalingrad-Zuständen leben, sei es in Butscha oder Mariupol, seien es vor allem Frauen in Afghanistan oder im Iran. Ihnen ist auch heute noch dieses Gedicht gewidmet.
Auch mancher unter uns hat ja das Jahr über ein persönliches Stalingrad erleben müssen. Das Gedicht mag uns Anlass geben, der weiblichen Urkraft, die uns in der Madonna begegnen will, wieder zu vertrauen. Sie kann unsere Seele trösten und heilen, die aller Menschen!


Die Mutter Gottes von Stalingrad 
Weilt heut bei den deutschen Soldaten. 
Sie hat in der eisigen Winternacht 
der russischen Steppe sich aufgemacht, 
die Frau und die Mutter voll Gnaden.


Die Mutter Gottes von Stalingrad 
besucht heut die Ärmsten der Armen. 
Sie hocken in Trümmern in bitterster Not, 
nur einer ist nahe, und das ist der Tod; 
da will sich die Mutter erbarmen.


Die Mutter Gottes von Stalingrad,
sie kommt durch die eisigen Winde
in Hütten und Höhlen, sie findet sich ein
und lässt sich dort nieder im kärglichen Schein, 
die Frau mit dem himmlischen Kinde.


Die Mutter Gottes von Stalingrad
sitzt still bei den Jungen und Alten
Und den Männern weiten die Augen sich groß, 
sie schauen die Mutter, das Kind ihr im Schoß, 
und sachte die Hände sich falten.


Die Mutter Gottes von Stalingrad –
o hört doch, jetzt singt sie ganz leise!
Den Männern kling es wie Heimat und Licht. 
Da löst es sich heimlich im starren Gesicht. 
O Wunder der Göttlichen Weise!


Die Mutter Gottes von Stalingrad,
im weiten Gewande geborgen –
was seh ich! Jetzt breitet den Mantel sie aus!
Jetzt spricht sie: Kommt alle, ich bring euch nach Haus, 
ich will euch, die Mutter, versorgen!

Die Mutter Gottes von Stalingrad,
jetzt legt sie auf alle die Hände.
Da stillt sich der Kummer, das Leid und der Schmerz, 
da füllt sich mit Frieden das einsamste Herz, 
wird fröhlich und still bis ans Ende.


Die Mutter Gottes von Stalingrad
die weiß um unsägliche Schmerzen;
sie kennt allen Jammer, sie weiß alle Not, 
und tausendmal, tausendmal litt sie den Tod, 
sie trug doch ein Kind einst am Herzen!


Die Mutter Gottes von Stalingrad –
so kam sie, die Mutter voll Gnaden,
zu den Ärmsten der Armen in heiliger Nacht, 
weil die Mutter noch immer des Ärmsten gedacht, 
sie kam zu den deutschen Soldaten.


Die Mutter Gottes von Stalingrad,
aus Liebe vom Himmel entboten,
sie hat sie gesegnet in schauriger Welt, 
in Gräbern und Gruben, im grausigen Feld, 
die Lebenden und auch die Toten!

(zitiert nach https://bit.ly/3YLJztDc)

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