Aus dem Dhammapada: „Alle Dinge entstehen im Geist / Sind unseres mächtigen Geistes Schöpfung.“

Die vielleicht phaszinierendste Lehrrede, also das erste der 26 Kapitel, die wir als Vers-Sammlung im sogenannten Dhammapada, den Lehrreden Buddhas, gesammelt finden, ist gleich die erste, jedenfalls für mich. Warum, dazu gleich mehr.

Buddha hat ja – wie Sokrates und Jesus – selbst nichts Schriftliches hinterlassen. Vielleicht, weil er nicht wollte, dass seine Jünger zu sehr an seinen Worten kleben und Philister des Wortes statt Jünger jenes Geistes werden, den er vermittelte und der in jedem selbst sich entwickeln muss. Deshalb sagte er auch kurz vor seinem Tod:

Ich habe die Lehre (dhamma) dargelegt, ohne ein Innen und Außen zu unterscheiden, denn in Bezug auf die Lehrer hat der Vollendete nicht die geschlossene Faust eines Lehrers, der gewisse Wahrheiten zurückhält …

Ein Vollendeter glaubt nicht, dass unbedingt er den Orden leiten müsse oder dass der Orden auf ihn angewiesen sei …

Darum seid euch selbst eine Insel, selbst eure Zuflucht, habt die Lehre als Insel, die Lehre als Zuflucht, habt keine andere Zuflucht.

Seine Lehre ist eine geistige Lehre, die eine Insel, eine Insel der Hoffnung für den Menschen auf dem Meer des Lebens sein will.

Dennoch konnte Buddha – und er hätte es wohl auch nicht gewollt – nicht verhindern, dass vier Monate nach seinem Tod in Rajagaha ein großes Mönchskonzil mit 500 Mönchen, die den Zustand der Erleuchtung – so heißt es jedenfalls – erreicht hatten, stattfand, auf dem die erinnerten Buddhaworte gesammelt, in einem Kodex zusammengefasst und in Ordensregeln (Vinayas) und Lehrreden (Sutten) unterteilt wurden.

Diese Buddhaworte wurden von Mönchen – sie spezialisierten sich auf einzelne Teile – auswendig gelernt und weiter überliefert.

Es dürfte wohl auf dem Dritten Konzil gewesen sein, dass das Dhammapada Eingang in den buddhistischen Kanon gefunden hat.

Dem bei Herder Spektrum erschienenen Dhammapada – die Weisheitslehren des Buddha, aus dem ich auch oben schon zitierte bzw. Bezug nahm, entnehme ich folgende Information:

Der vom dritten Konzil festgestellte Kanon wurde dann im 1. Jh. v.u.Z. auf Sri Lanka in Pali-Sprache niedergeschrieben und ist der einzige Kanon, der uns heute vollständig erhalten geblieben ist.

Das Dhammapada gibt in der Form einer Vers-Sammlung einen kurzen und doch eindringlichen Überblick über das gesamte, umfangreiche Lehrwerk des Buddha. Es enthält in 26 Kapiteln nach Themen geordnet 423 Verse. Die meisten Verse sind sehr rhythmisierende Vierzeiler mit je acht Silben pro Zeile.

Dhamma bedeutet ursprünglich „Das Tragende“, das universale Gesetz, die Wahrheit, die Tugend, die Lehre, das Ding, die Daseinserscheinung, und pada bedeutet Fuß, Spur, Pfad, Wort, Satz – so könnte man Dhammapada also vielleicht mit Weg der Wahrheit, Weg der Lehre oder Worte der Wahrheit, Worte der Lehre wiedergeben.

Wer denkt hier nicht an Jesu´ Wort: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

In meinem Blog Methusalem veröffentliche ich ja des Öfteren Textauszüge und Quellen, die Gedanken aus meiner EthikPost ausgestalten, untermauern, belegen.

So ist es auch hier. Schon der erste Satz des Dhammapada-Beginns – Alle Dinge entstehen im Geist – weist darauf hin, wie im Grunde identisch diese Aussage mit der Weisheitslehre der Bibel, den Auffassungen Masaharu Taniguchis und geistigen Traditionen des Abendlandes sind – zu nennen wären hier Meister Eckehardt, Jakob Böhme, Teresa von Avila und andere; in der Neuzeit sei besonders auf Mystiker wie Joel S. Goldsmith, Jakob Lorber und Karl Otto Schmidt verwiesen. Zum Verstehen ihres Gedankengutes ist es allerdings notwendig, unsere linkshirnig-orientierte schulische Erziehung zu überwinden. Deshalb wird es auch noch eine Weile dauern, bis dieses Gedankengut lehrplanfähig ist oder in Auszügen Eingang in Unterrichtswerke findet, setzt es doch voraus, dass die Weisheit des Herzens mindestens genauso viel zählt wie die des Kopfes (herzlos darf man in unserer Gesellschaft bekanntllich sein – es fällt kaum auf -, nur kopflos nicht).

Der Beginn des Johannes-Evangeliums verweist uns auf diese Verwandtschaft, denn mit dem Wort Logos ist auch der göttliche Geist gemeint, der schon zu Beginn der Bibel sein Schöpfungswerk begonnen hatte; der Beginn des angesprochenen Evangeliums lautet:.

Im Anfang (ἀρχή) war das Wort (λόγος)
und das Wort war bei Gott,
und das Wort war Gott.
Im Anfang war es bei Gott.
Alles ist durch das Wort geworden
und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

Kein Wunder, dass der kopfgesteuerte Faust in Faust I mit diesem Wort logos solch große Schwierigkeiten hat.

 ROLLEI

Das erste Kapitel des Dhammapada, ist überschrieben Die Wahl.

Erläuterungen zum Kapitel am Schluss

Wir haben die Wahl:

I

Alle Dinge entstehen im Geist,
Sind unseres mächtigen Geistes Schöpfung.
Rede mit unreinem Geist,
Handle mit unreinem Geist
Und Leiden wird dir folgen,
Wie das Rad dem Fuß folgt,
der den Wagen zieht.

II

Alle Dinge entstehen im Geist
Sind unseres mächtigen Geistes Schöpfung.
Rede mit reinem Geist,
Handle mit reinem Geist
Und Glück wird dir folgen
Wie der Schatten dem Körper folgt
Und nicht weicht.

III

„Sieh, wie er mich beschimpft und geschlagen hat,
Wie er mich niedergeworfen und beraubt.“
Halte solche Gedanken fest,
Und Dein Hass kommt nie zur Ruhe.

IV

„Sieh, wie er mich beschimpft und geschlagen hat,
Wie er mich niedergeworfen hat und beraubt.“
Lass solche Gedanken los,
Und dein Hass kommt bald zur Ruhe.

V

Noch nie in dieser Welt
Hat Hass gestillt den Hass.
Nur liebende Güte stillt den Hass,
Dies ist ein ewiges Gesetz.

VI

Die Unwissenden sehen es nicht ein,
Dass man im Streit sich zügeln muss.
Aber wenn du klar erkennst,
Dann kommt in dir alles Streiten zur Ruhe.

VII

Wenn du nur der Suche nach Schönem lebst
Und deine Sinnestore nicht bewachst,
Wenn du beim Essen das rechte Maß nicht kennst
Und träge bist und ohne rechtes Bemühen,
Dann wirst du von Mara entwurzelt werden,
So, wie der Wind einen schwachen Baum überwältigt.

VIII

Doch, wenn du auch das Nicht-Schöne betrachtest
Und deine Sinnestore recht bewachst,
Wenn Du beim Essen das rechte Maß kennst
Und zuversichtlich bist und voll rechten Bemühens,
Dann wird dich Mara niemals mehr bezwingen,
So, wie der Wind einen Felsenberg nicht überwältigt.

IX

Wenn du noch voller Fehler bist,
Unbezähmt und ohne Verständnis der Wahrheit,
Wenn du dich dennoch in die gelbe Robe hüllst,
So bist du nicht wert, die gelbe Robe zu tragen.

X

Doch wenn du deine Fehler aufgegeben hast,
Fest stehst in Sittlichkeit,
Bezähmt und voller Verständnis der Wahrheit,
So bist du wohl wert, die gelbe Robe zu tragen.

XI

Du siehst das Wertlose als wertvoll an
Und das Wertvolle als wertlos,
An solch verkehrtem Denken festhaltend
Erkennst Du nie die Wirklichkeit.

XII

Sieh das Wertlose als wertlos an
Und das Wertvolle als wertvoll.
An solch rechtem Denken festhaltend
Erkennst Du bald die Wirklichkeit.

XIII

Wie durch ein schlecht gedecktes Dach
Der Regen in das Dach eindringen wird,
So überfluten die Leidenschaften
Den noch ungepflegten Geist.

XIV

Wie durch ein recht gedecktes Dach
Kein Regen in das Haus eindringen wird,
So überfluten keine Leidenschaften
Den wohlgepflegten Geist.

XV

Wer viel Übles denkt und tut, der wird darüber Schmerz empfinden
In dieser Welt wie in der nächsten;
Er wird Schmerz empfinden und bedrückt sein,
Wenn er die Schlechtigkeit seines Tuns erkennt.

XVI

Wer viel Gutes denkt und tut, der wird darüber Freude empfinden
In dieser Welt wie in der nächsten;
Er wird Freude empfinden und beglückt sein,
Wenn er die Reinheit seines Tuns erkennt.

XVII

Wer viel Übles denkt und tut,, der wird dadurch Leid erfahren
In dieser Welt wie in der nächsten.
Er wird leiden an der Erinnerung und noch viel mehr,
Wenn er auf den leidvollen Weg gelangt.

XVIII

Wer viel Gutes denkt und tut, der wird dadurch Freude erfahren
In dieser Welt wie in der nächsten.
Er wird sich freuen an der Erinnerung und noch viel mehr,
Wenn er auf den glücklichen Weg gelangt.

XIX

Über wie viele heilige Texte du immer auch sprichst,
Was werden sie dir nützen, wenn Du nicht danach handelst?
Du gleichst ja einem Hirten, der eines anderen Kühe zählt
Und hast doch niemals Anteil am Weg.

XX

Über wie wenige heilige Texte du auch immer sprichst,
Doch wenn du in Einklang mit der Lehre lebst,
Wenn Du Verlangen, Abneigung und Unwissenheit aufgibst,
Nicht mehr haftest an dieser Welt, noch an der nächsten
Und Einsicht und Frieden findest,
Dann hast du wirklich einen Anteil am Weg.

 


Das Gesetz, von dem in Strophe 4 die Rede ist, ist dhamma,
das Gesetz, die Lehre, die Wirklichkeit.
mara (Str. VII): der Tod, im weiteren Sinne: die überwältigenden Leidenschaften
Die Fehler, von denen in Strophe IX die Rede ist, sind im buddhistischen Sinne
Verlangen, Abneigung, Unwissenheit, Hass, Gier, Verblendung.
die gelbe Robe ist das Gewand buddhistischer Mönche
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