Jiddu Krishnamurti: „Über die Wahrheit“ und „Über die Liebe“

Jiddu Krishnamurti (* 1895 in Madanapalle, Indien; † 1986 in Kalifornien, USA) war ein indischer Brahmane, Autor und spiritueller Lehrer. In seinen wichtigsten Veröffentlichungen thematisiert Krishnamurti spirituelle Fragen wie die Erlangung vollständiger geistiger Freiheit durch Meditation, aber auch religiöse und philosophische Themen. Auch eine richtige Erziehung war ihm immer wieder ein Anliegen.

Auf Vortragsreisen und in mehr als 60 Büchern legte er Menschen in aller Welt seine Auffassung eines geistigen Erwachens ohne die Vermittlung traditioneller religiöser Methoden dar. Henry Miller äußerte, er kenne keinen anderen Menschen, dessen Denken so inspirierend sei wie das von Krishnamurti; das wird auch in der Aussage dieses Menschheitslehrers deutlich :


Uns geht es um die ganzheitliche Entwicklung jedes Men­schen, darum, ihm zu helfen, seine eigenen höchsten und voll­sten Fähigkeiten zu verwirklichen – nicht irgendeine eingebil­dete Fähigkeit, die der Erzieher als ein Konzept oder Ideal vor Augen hat. Jeder Geist des Vergleichens verhindert dieses volle Aufblühen des Individuums, sei er nun Wissenschaftler oder Gärtner. Wenn es keinen Vergleich gibt, dann steht die höchste Befähigung des Gärtners auf der gleichen Stufe wie die höchste Befähigung des Wissenschaftlers: aber wenn der Vergleich hin­einkommt, dann kommt es zu den Herabsetzungen und neidi­schen Reaktionen, die zu Konflikten zwischen den Menschen führen. Wie das Leid, so ist auch die Liebe nicht vergleichend; sie kann nicht mit der größeren oder der geringeren verglichen werden. Leid ist Leid und Liebe ist Liebe, bei den Reichen wie bei den Armen.

aus: Vollkommene Freiheit

Gegen Ende seines Lebens hielt er Vorträge vor Tausenden von Menschen.

Krishnamurti wurde früh von der Theosophin Helena Petrowna Blavatsky („Die Geheimlehre“) für den zukünftigen Buddha und Weltlehrer Lord Matreya gehalten. Sein Vater gab ihn sogar zu seiner spirituellen Ausbildung nach England zu Anni Besant, einem Mitglied der Theosophischen Gesellschaft. In der Folge wurde für Jiddu Krishnamurti sogar ein Orden gegründet, der Order of the Star in the East, damit dem neuen Weltenlehrer der Weg geebnet würde. Krishnamurti wurde dessen Oberhaupt. Im Laufe der Zeit distanzierte  er sich jedoch mehr und mehr von der Theosophischen Gesellschaft und löste am 3. August 1929 die für ihn gegründete Organisation mit folgender bemerkenswerten und in Bezug auf  seine Auffassung von Wahrheit wegweisenden Rede auf:


„Ich behaupte, dass die Wahrheit ein pfadloses Land ist und dass es keine Pfade gibt, die zu ihr hinführen – keine Religionen, keine Sekten. Das ist mein Standpunkt, den ich absolut und bedingungslos vertrete. Die Wahrheit ist grenzenlos, sie kann nicht konditioniert, sie kann nicht auf vorgegebenen Wegen erreicht und daher auch nicht organisiert werden. Deshalb sollten keine Organisationen gegründet werden, die die Menschen auf einen bestimmten Pfad führen oder nötigen. Wenn ihr das einmal verstanden habt, werdet ihr einsehen, dass es vollkommen unmöglich ist, einen Glauben zu organisieren. Der Glaube ist eine absolut individuelle Angelegenheit und man kann und darf ihn nicht in Organisationen pressen. Falls man es tut, wird er zu etwas Totem, Starrem; er wird zu Gier, zu einer Sekte, einer Religion, die anderen aufgezwungen wird. […] Ich möchte keiner spirituellen Organisation, ganz gleich welcher Art, angehören, und ich bitte euch, das zu verstehen. Ich betone noch einmal, dass keine Organisation einen Menschen zur Spiritualität führen kann. Wenn eine Organisation zu diesem Zweck gegründet wird, so wird sie zu einer Krücke, die euch schwächt, zu einem Gefängnis. Solche Organisationen verkrüppeln das Individuum, hindern es daran zu wachsen und seine Einzigartigkeit zu leben, die ja darin liegt, dass es ganz alleine diese absolute, uneingeschränkte Wahrheit entdeckt. Das ist ein weiterer Grund dafür, dass ich mich – da ich der Präsident des Ordens bin – entschlossen habe, den Orden aufzulösen. Niemand hat mich zu dieser Entscheidung gedrängt oder überredet. Das ist keine großartige Tat, denn ich will keine Jünger oder Anhänger; ich meine das so, wie ich es sage. In dem Moment, in dem man beginnt, jemandem zu folgen, hört man auf, der Wahrheit zu folgen.“

(zitiert nach Jayakar 1988, S. 86f)

Bemerkenswert auch, was Krishnamurti über die Liebe schreibt:

ψ

Liebe ist jenseits von Denken und Zeit.

Liebe hat kein Gestern und kein Morgen.
Sie ist jenseits der Unruhe des Den­kens.


Nur der unschuldige Geist weiß, was Liebe ist, und der unschuldige Geist kann in der Welt leben, die nicht unschuldig ist.
Dieses Außerordentliche zu finden, das der Mensch endlos gesucht hat durch Opfer, durch Anbetung, durch Beziehungen, durch Sex, durch jede Form von Lust und Schmerz, ist nur mög­lich, wenn das Denken sich selbst versteht und ganz natürlich zu Ende geht.

Dann hat die Liebe kein Gegenteil,
dann kennt die Liebe keinen Konflikt.
Vielleicht fragen Sie: »Wenn ich eine solche Liebe finde, was geschieht dann mit meiner Frau, meinen Kindern, meiner Familie? Sie brauchen Sicherheit.«

Wenn Sie eine solche Frage stellen, dann haben Sie nie den Bereich des Denkens, den Bereich des Bewusstseins überschritten. Wenn Sie einmal diesen Bereich überschritten haben, dann werden Sie niemals eine solche Frage stellen, denn dann werden Sie wissen, was Liebe ist, in der es kein Denken und deshalb keine Zeit gibt.
Sie können das fasziniert und begeistert lesen, doch tatsächlich über das Denken und die Zeit hinauszugehen – was heißt, über das Leid hinauszugehen -, das bedeutet, gewahr zu werden, dass es eine andere Dimension gibt, die man Liebe nennt.
Aber wenn Sie nicht wissen, wie Sie zu dieser außerordentli­chen Quelle gelangen sollen, was können Sie dann tun?
Wenn Sie nicht wissen, was Sie tun sollen, dann tun Sie gar nichts, nicht wahr?
Absolut nichts.
Dann sind Sie innerlich vollkommen still.
Verstehen Sie, was das bedeutet?
Es bedeutet, dass Sie nichts suchen, nichts wünschen, nichts erstreben; es gibt keinerlei Mit­telpunkt.

Dann ist die Liebe da.

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